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Österreichische Textilzeitung: Auf die richtigen Partner setzen

Einkaufen im stationären Handel wird nie mehr bequemer sein als online. Daher muss der Handel andere Erlebnisse bieten, die den Besuch im Geschäft attraktiv machen. Immer wichtiger wird es, das Kundenverhalten valide zu kennen. Die Textilzeitung sprach darüber mit Sascha Negele, Manager bei Hachmeister & Partner.

Veröffentlicht am 16.12.2021

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Auf die richtigen Partner setzen

Einkaufen im stationären Handel wird nie mehr bequemer sein als online. Daher muss der Handel andere Erlebnisse bieten, die den Besuch im Geschäft attraktiv machen. Immer wichtiger wird es, das Kundenverhalten valide zu kennen. Die Textilzeitung sprach darüber mit Sascha Negele, Manager bei Hachmeister & Partner.

Sie haben beim Modehandelskongress der TW in Frankfurt ein Chart gezeigt, wonach Adidas 2025 ein D2C (Anm. Direct-to-Consumer) getriebenes Unternehmen sein wird, mit Online als wichtigstem Store. Wie kommen Sie zu dieser These?
Ich zitiere da aus der TW die Strategie von Adidas. Sie konzentrieren sich auch bei der Auswahl der Handelspartner auf jene, die einen starken Online-Fokus haben. Wir erleben bei Adidas und einigen anderen globalen Playern, dass sie bei Kooperationsverhandlungen, neben der Sortimentierung, zunehmend auf die Belegung der relevanten Touchpoints setzen. Aber  auch selbst darauf achten, eine eigene Community zu bilden, wie Nike mit einer Vielzahl an Kunden-Apps. Wenn Ralph Lauren bei Lodenfrey in München ein Café betreibt, dann ist das ja nicht das Kerngeschäft. Als Gastgeber aufzutreten war lange Zeit die Hoheit des Handels, jetzt bedient dies Marke in unterschiedlichen Touchpoints auch. Die Bewegung, dass die Industriemarken ihre eigenen Communities bilden, ist schon länger spürbar.

Beim Modehandelskongress zog sich ein Gedanke als roter Faden durch das Programm: Man muss das Geschäft vom Kunden denken und nicht vom Produkt aus. Wie darf man sich das in der Praxis vorstellen?
Ich würde jetzt keinem Händler unterstellen, dass er nicht an den Kunden denkt. Aber es ist schon ein Unterschied zu einem Kundenwissen, das aus Daten über das Verhalten generiert wurde. Der Händler denkt beim Einkauf nach, welche Produkte seinen Kunden gefallen könnten und stellt so die Sortimente zusammen. Was sehr wenig passiert ist, dass das Wissen, das über den Kunden generiert wird, beim Handel genutzt wird, um die Welten entsprechend zu bauen.

Wie könnte das gelingen?
Indem man sich mit Partnern vernetzt, zum Beispiel aus der Gastro. Aus diesen Kooperationen muss aber immer ein Wissen über den Kunden entstehen. Jeder Partner, der in meinem Store – physisch oder digital – ist, muss in meinem Loyality-System integriert sein. Der nächste Schritt ist dann herauszufinden, wie die gesamte Lebenswirklichkeit des Kunden aussieht. Welche Apps nutzt der Kunde, welcher Logistikpartner ist für mich der Richtige, in welchen Bars und Restaurants ist der Kunde anzutreffen? Dann kann ich das Kundenverhalten im Vorfeld antizipieren. Das ist der Shift von »Ich glaube zu wissen, wie sich der Kunde verhalten hat.« zu »Ich weiß valide, wie er sich verhalten wird.«

Was bedeutet das für die Hersteller?
Beispiele wie Starbucks zeigen doch, dass neue Produkte durch Kundenideen entstehen können. Und auch Nischen Spezialisten wie »43einhalb« binden ihre Community gemeinsam mit den Sneaker-Herstellern intensiv ein. Die diversen Communities der Marken werden deutlich stärker in die Produktentwicklung eingebunden werden.

Sie haben auch bestimmte Personas gezeigt, die sich in ihrem Kundenverhalten doch sehr unterscheiden. Da war Brigitte, die die Fachberatung im stationären Handel schätzt und Ronen, der immer nur ein Smartphone nutzt und personalisierte Angebote erwartet. Welche andere Personas darf man sich noch vorstellen?
Die sind in der Tat mannigfaltig und genau das ist die Schwierigkeit dabei. Denn obwohl sie so unterschiedlich sind, können sie sich in den Produkten gleichen. Nehmen Sie mal den On Schuh als Beispiel. Quer durch alle Alters- und Sportlichkeitsklassen laufen Männer und Frauen mit den On Schuhen herum. Die haben sicher nicht alle die gleiche Customer Journey, noch kaufen sie die Schuhe aus den gleichen Gründen. Ich muss den Kunden eben aufgrund seiner unterschiedlichen Bedürfnisse ansprechen, den Halbmarathonläufer ebenso wie die Brigitte mit Rückenschmerzen.

Sie empfehlen, neue Touchpoints zu schaffen, um die Kundengruppe zu erweitern. Welche konkret?
Ich muss mir überlegen, wo die Community, die ich meine, anzutreffen ist. Wo habe ich einen natürlichen Kontaktpunkt? In welchen Apps kann ich in welcher Form stattfinden? Mach ich als Sporthändler auf Spotify eine »Laufliste«? Oder Kooperationen mit der Gastronomie. Also überall dort, wo die Lebenswirklichkeit abgebildet wird.
Genauso wichtig ist zu entscheiden, wo man nicht ist! Es darf nicht zu beliebig werden, daher muss man sich auch gegen Präsenzen entscheiden. Umso wichtiger ist es, sich die richtigen Partner auszusuchen.

Sie haben dann auch noch gezeigt, dass beim Online-Kauf der echte Treiber die Bequemlichkeit ist. Umgekehrt gefragt: Wie kann der stationäre Händler diesen Convenience-Grund überbieten?
Der stationäre Handel wird nie mehr bequemer sein können als der Online-Handel. Den Kampf hat er verloren. Aber wenn sich der Kunde die Mühe macht in die Stadt zu gehen, dann muss er die Erlebnisse bekommen, die er erwartet. Wenn er das nicht bietet, kann der stationäre Händler nicht erfolgreich sein. Die alleinige Warenbereitstellung kann es nicht mehr sein. Dazu gehört auch das Wissen, ob ein Kunde gerne angesprochen oder lieber in Ruhe gelassen werden möchte.

Wer macht denn so richtig gute Erlebnisse?
In Österreich sicher Sport Bründl, der steht ja für Erlebnisse. Und beim Modehandel ist es wohl Engelhorn in Mannheim. Und natürlich L&T in Osnabrück, die das Thema Kundenerlebnis über das reine Handelsgeschäft hinaus ganzheitlich denken. Für alle erfolgreichen Händler gilt: Die Leute kommen gerne, fühlen sich wohl und halten sich länger auf, als es für den Einkauf notwendig wäre.

Österreichische Textilzeitung, Dagmar Lang: Interview mit Sascha Negele: "Auf den richtigen Partner setzen" (Donnerstag, 16. Dezember 2022)

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