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TextilWirtschaft: Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell

Die Unternehmensberatung Hachmeister+Partner lud zum ersten Nachhaltigkeits-Round Table. Key Note Speaker Christoph Engl setzte Impulse aus der Welt des Bergsports.

Veröffentlicht am 30.06.2022

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Eine runde Sache

Die Unternehmensberatung Hachmeister+Partner lud zum ersten Nachhaltigkeits-Round Table. Key Note Speaker Christoph Engl setzte Impulse aus der Welt des Bergsports.

Der Kloß wurde in München zum geflügelten Wort. "Der Kloß zeigt, wie Circularity in den Bergen schon immer gelebt wurde", sagt Christoph Engl. "Altes Brot wird mit Milch und Eiern vermengt und kommt so wieder auf den Tisch."
Engl weiß, wie man ein Thema schmackhaft präsentiert. Er ist ein ausgewiesener Marken-Experte, war viele Jahre Geschäftsführer der Südtirol Marketing Gesellschaft und führte unter anderem die Dachmarke Südtirol ein. Heute ist Engl Chef der Oberalp-Gruppe mit Sitz in – genau – Südtirol.
Und er ist einer der Key Note-Speaker beim ersten Nachhaltigkeits-Round Table, zu dem die Unternehmensberatung Hachmeister + Partner (h + p) ein Dutzend Vertreter aus Industrie und Handel, Hochschulen und Start-ups nach München eingeladen hat. Um zu vernetzen, um zu diskutieren und gemeinsam neu zu denken.

Anders als beim TW Sustainability Summit geht es in diesem kleinen Kreis vor allem um einen Erfahrungsaustausch. Darum, verschiedene Perspektiven zusammenzubringen. Key Note-Speeches von Christoph Engl und Einzelhändler Marc Ramelow eröffnen die Veranstaltung, den Abschluss bildet eine Design Thinking Session am zweiten Tag, bei der die Teilnehmer in zwei Projektgruppen ein neues Produkt entwickeln sollen – und über das reine Produkt hinaus denken.

Franziska von Becker von h + p mag das Bild vom Kloß. Bislang spricht sie allerdings eher vom Baum, um die Idee von nachhaltigem Wirtschaften zu veranschaulichen. "Ursprünglich kommt der Gedanke des nachhaltigen Wirtschaftens aus der Forstwirtschaft. Man nimmt nur so viel aus dem Wald heraus, wie man wieder aufforsten kann." Von Becker kam Anfang des Jahres zu dem Bielefelder Beratungsunternehmen, zuvor war sie als Chief Product Officer Mitglied der Geschäftsführung von Armedangels. Sie soll helfen, das Thema Nachhaltigkeit bei h + p weiter voranzutreiben.

Bei der Oberalp-Gruppe ist das Wort Nachhaltigkeit allerdings verpönt. "Worte wie Nachhaltigkeit und Sustainability drücken nicht aus, was wir eigentlich tun müssen. Sie drücken aus, was die Wirkung ist, wenn wir gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Daher lautet unser Schlüsselwort 'contribute'", so Engl.
Das ehrgeizige Ziel der Mutter von Bergsportmarken wie Salewa und Dynafit: Net Zero Emissions bis 2030. "Klimaneutralität könnten wir uns schon nächstes Jahr leicht leisten. Aber das wollen wir nicht. Wir wollen trainieren. Wollen uns bei der Konzeption der Produkte verbessern." Um 2030 im besten Fall nur noch minimal kompensieren zu müssen.

So verantwortungsvoll, wie man in den Bergen schon immer mit altem Brot umgehe, so müssten Firmen in Produkten, Abläufen, Prozessen und Geschäftsmodellen denken. In Geschäftsmodellen, die über den reinen Verkauf von Produkten hinausgehen. "Die Kunden kaufen kein Produkt. Sie kaufen deine Idee", so Engls Überzeugung.

Die Oberalp-Gruppe hat erste Projekte gestartet, bei denen es primär nicht um den Verkauf von Produkten geht, sondern um Service-Leistungen. Eine Care-Station im Münchner Salewa-Store, um eine möglichst lange Nutzungsdauer der Produkte zu gewährleisten etwa. Oder den Alpine Campus. Als Schulungskonzept für die eigenen Mitarbeiter gestartet, mittlerweile Touren-Anbieter für alle Interessierten. Themen, die für einen Bergsport-Spezialisten sicher naheliegender sind als für einen Modeanbieter. Wie man die Grundsätze "Reduce, reuse, recycle" mit der Modebranche in Einklang bringen kann, darüber machen sich die Vertreter aller Unternehmen Gedanken, die bei dem Workshop dabei sind. Von Betty Barclay bis Dr. Bock Industries, von Ahlers bis Bültel, von Mac bis Seidensticker, von Henschel bis Ramelow.

"Je mehr du lernst, desto mieser fühlst du dich erst einmal", sagt Marc Ramelow, der schon 2018 bei seinen rund 120 Lieferanten eine Umfrage zum Thema Nachhaltigkeit gestartet hat. Seither hat er gelernt, dass jeder Lieferant etwas anderes unter Nachhaltigkeit versteht. "Ich erinnere mich, wie uns ein Jacken-Lieferant seine Kollektion als nachhaltig verkauft hat, weil für jede Jacke einen Baum gepflanzt wurde. Im Forst des Chefs. Mein erster Gedanke: 'Leute, das ist nicht Euer Ernst.' Später dachte ich: 'Na ja, besser als nichts. Immerhin macht er sich auf den Weg.'"

Besser, als aus Sorge vor möglichen Greenwashing-Vorwürfen gar nicht zu handeln. "Auch wir sagen nicht, dass wir perfekt sind. Und wir sind bisher noch nie mit solchen Vorwürfen konfrontiert worden", berichtet Ramelow. Gleichzeitig habe er die Erfahrung gemacht, dass einige Kunden zwar nachfragen, ob ein Produkt nachhaltig produziert sei. Es aber oft so ganz genau und im Detail dann doch nicht wissen wollen. Das Interesse der Lokalpresse an einem Pressetermin zur erreichten Klimaneutralität? Nahezu null.

Den Begriff Nachhaltigkeit mag auch Ramelow nicht mehr verwenden. Spricht lieber von einer Balance aus Unternehmensverantwortung mit ökonomischem Gewinn und ökologischer sowie sozialer Verantwortung. Einfacher: People, Planet and Profit – das Eine nicht ohne das Andere. Mit welchen Zielkonflikten das einhergeht, wird auch in dieser Runde immer wieder deutlich. Wenn Industrievertreter von Beschwerden der Händler berichten, die einerseits CO2-freundlichen Versand fordern, dann aber Falten in der liegend transportierten Ware anmahnen. Von zu hohen Kosten für nachhaltigere Stoffe in Zeiten ohnehin explodierender Beschaffungskosten. Wenn Händler darüber nachdenken, wie das Reduzieren von CO2 Teil eines rentablen Geschäftsmodells wird. Wenn ein Produzent darauf hinweist, dass sein Unternehmen natürlich auf weiteres Wachstum angewiesen ist, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Und auch, wenn der Vertreter des Recycling-Start-ups den Anwesenden erklärt, warum sie nicht alle ihre Hoffnungen auf Recycling setzen sollten.

Der Diskussionsbedarf ist immens. Und so soll diese erste Runde nur Auftakt für regelmäßige Treffen sein. Damit sich der Kreis zumindest im Kleinen schließt.

TextilWirtschaft, Mara Javorovic: Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell - Eine Runde Sache (Donnerstag, 30. Juni 2022)

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