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Langfristig positiv, kurzfristig herausfordernd – so bewertet der Sport- und Outdoorhandel seine Perspektiven. Worauf kommt es jetzt an? Vertrauensvolle Partnerschaften mit den Lieferanten sind dem Handel heute wichtiger denn je. Denn die Prognosen für Winter 2023 sind so unsicher wie nie.
Veröffentlicht am 24.11.2022
Langfristig positiv, kurzfristig herausfordernd – so bewertet der Sport- und Outdoorhandel seine Perspektiven. Worauf kommt es jetzt an? Vertrauensvolle Partnerschaften mit den Lieferanten sind dem Handel heute wichtiger denn je. Denn die Prognosen für Winter 2023 sind so unsicher wie nie.
Ende Oktober 2022. Bastian Wurm-Trageiser steckt mitten im Umbau. Eine Neueröffnung im November sorgt Wochen zuvor für einen prall gefüllten Kalender bei dem Geschäftsführer des Outdoor-Spezialisten Travel&Trek mit Läden in und um Nürnberg. Und er ist bei weitem nicht der einzige Händler, der in diesem Jahr in sein stationäres Geschäft investiert. Landauf, landab wurden Sport- und Outdoor-Läden auf Vordermann gebracht. Allein in den Reihen der Intersport-Händler wurden in den vergangenen Monaten hunderttausende Quadratmeter Verkaufsfläche modernisiert und im frischen Look&Feel gestaltet – zentraler Bestandteil der neuen CI-Richtlinie der Verbundgruppe.
Darunter sind zahlreiche Eröffnungen von Händlern wie Intersport Stommen in Essen, Krumholz in Bad Homburg, Hübner in Erfurt und Wawrok in Berlin-Köpenick, die zum Teil bestehende Flächen von Händlerkollegen übernommen haben. Der bundesweit vertretene Filialist Sport Scheck hat sein Stuttgarter Haus umgebaut und zeigt dort nun, wie Services rund um das Erlebnis Sport auf die Fläche gebracht werden sollen. Und nicht zuletzt haben Outdoor-Filialisten wie Globetrotter und Unterwegs in diesem Jahr ihr Filialnetz weiter vergrößert.
Die Sportbranche ist in Bewegung. Und sie hat in den vergangenen drei Jahren ihre Resilienz unter Beweis gestellt. Viele Player, auf Seiten des Handels und der Industrie, sind glimpflich bis hervorragend durch die Jahre 2020 und 2021 gekommen. Sie profitieren davon, dass Sport und Gesundheit, Natur und persönliche Auszeit-Momente gerade in Krisenzeiten für viele Menschen eine noch wichtigere Bedeutung bekommen. Und so gehen fast drei von vier Sporthändlern davon aus, dass in der aktuellen schwierigen Situation der Sporthandel weniger leiden wird als der Bekleidungshandel.
Das ist eines der Ergebnisse der ersten TW-Studie, die explizit den Sport- und Outdoormarkt beleuchtet. Wie blickt der Handel in die Zukunft? Der Fokus liegt dabei auf dem Segment Outdoor. Nach wie vor ein Wachstumsfeld. Oder? Wie sieht die aktuelle Situation in den Sortimenten aus? Wie geht es weiter? Wie schätzt der Handel die weitere Entwicklung ein? Wo sieht er Chancen? Was erwartet er in der Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten? Und wie schätzt er deren Performance ein?
Die gute Nachricht: Langfristig sehen Sport- und Outdoorhändler vor allem Chancen. Von Thomas Reischmann von Reischmann im Süden über Oliver Krumholz von Intersport Krumholz und Markus Neul von Intersport Voswinkel bis hin zu Torge Thede von Ramelow im Norden und überregionalen Filialisten wie Globetrotter und Unterwegs. Diese Chancen wollen sie vor allem mit Lieferanten nutzen, zu denen sie ein besonders partnerschaftliches Verhältnis pflegen. Das ist ein weiteres Ergebnis der Studie.
Guter Start in 2022
Das erste Halbjahr war für viele Händler gut bis sehr gut. Ein sehr heißer Sommer und eine viel zu lange warme Witterung erschwerten das Geschäft seither. „Die Zahlen am POS sind noch ganz gut, auch wenn uns allen derzeit die Witterungsbedingungen zu schaffen machen“, konstatiert Tim Wahnel von Sport 2000 Anfang November. Wahnel leitet die umsatzstarke Outdoor-Division bei dem Sporthandelsverbund und ist in engem Austausch mit vielen Sport 2000-Händlern, zum Teil Outdoor-Spezialisten, aber auch so genannten Generalisten, für die Outdoor eine wichtige Säule im Sortiment ist.
Allerdings stellt die aktuelle Situation – Krieg in Europa, galoppierende Inflation, sich vervielfachende Gas- und Energiepreise, eine deutlich abgekühlte Konsumstimmung – den Handel vor große Herausforderungen bei den Planungen für Winter 2023. „Das ist ja keine Gleichung mehr mit der ein oder anderen Unbekannten. Wir haben ja nur noch Unbekannte“, bringt Wahnel die aktuelle Gemengelage auf den Punkt. Gleichzeitig ist das Outdoor-Geschäft in diesen Zeiten noch stärker wettergetrieben als sonst. „Wir sehen, dass sich das Einkaufsverhalten der Kunden nachhaltig verschiebt“, berichtet Chantal Dubbert, Einkäuferin bei Globetrotter. „Sie warten zunehmend ab, bis der Bedarf da ist. Das können wir an den Zahlen ablesen: Sobald es ein paar Tage kühler wird, springt das Geschäft an.“
Heterogene Entwicklung seit 2019
Die aktuelle Umsatzlage ist heterogen. Sascha Negele vom Beratungsunternehmen Hachmeister+Partner (H+P) berichtet von einem aufgelaufenen Minus von 6,1% im H+P-Panel für das Sportsegment – allerdings im Vergleich zum Vorkrisenniveau 2019. Der Rückgang sei „etwas weniger drastisch als in den Textilsortimenten, aber deutlich spürbar“. Dabei sei das Outdoor-Segment in der Umsatzentwicklung mit minus 4,8% noch etwas besser. Ein positiveres Bild für den Outdoormarkt zeichnen Erhebungen des IFH Köln in Zusammenarbeit mit der BBE Handelsberatung. Sie sehen ein kontinuierliches Wachstum seit 2019 und prognostizieren es auch für dieses Jahr. „Die Hochrechnungen zeigen ein – wenn auch moderates – Wachstum von 2,4%“, teilen IFH und BBE mit. Und während sich die Wachstumsraten bei den Online-Spezialisten abkühlen, hat der Omnichannel-Player Globetrotter in den ersten neun Monaten des Jahres 30% mehr Umsatz gemacht als im Vorjahr.
Ausblick ist durchwachsen
Und die Prognosen? Bezogen auf den Umsatz im Sport insgesamt rechnet gut die Hälfte der im Rahmen der Studie befragten Händler mit rückläufigen Umsätzen in den kommenden zwei Jahren, allerdings zum Großteil (38%) mit einer nur leicht rückläufigen Tendenz. Darunter viele Händler, die sehr gute Jahre hinter sich haben – umsatzmäßig, aber vor allem auch auf Ertragsseite. 28% der Händler rechnen mit gleichbleibenden, 19% sogar mit steigenden Umsätzen.
Eine noch längerfristige Planung ist für viele Händler im Moment kaum mehr abzubilden. „Ganz ehrlich: Wir machen im Moment keine Drei- oder gar Fünf-Jahres-Pläne mehr“, so ein Händler.
Vor allem der Blick auf das erste Quartal 2023 ist bei vielen sehr sorgenvoll. Erwartete Einbrüche von 20% für die ersten Wochen des kommenden Jahres sind keine Seltenheit. Dass aktuell hohe Bestände mit einer steigenden Kaufzurückhaltung einhergehen, erschwert die Planungen fürs kommende Jahr immens.
Verglichen mit dem Vorjahr sind die Bestände mit plus 14,2% deutlich erhöht, berichtet Negele von H+P. Da waren die Läger allerdings zu großen Teilen weitgehend leergefegt. Im Vergleich mit 2019 sind die Bestände etwas geringer mit minus 2,9%.
Hohe Bestände und steigende Preise
Grund für die im Vergleich zum Vorjahr hohen Bestände sind zum Teil Lieferungen, die zum Herbst pünktlicher und vollständiger kamen als gedacht. „Viel Ware mit Liefertermin Juli und August kam erst im September, Ware für September und Oktober kam dann weitgehend pünktlich“, resümiert Oliver Krumholz. Ein Händlerkollege in Norddeutschland rief aufgrund des übervollen Lagers im Oktober zur „Lagerplünderung“ auf, mit Rabatten bis zu 50%. Bis Mitte November sind das allerdings eher Einzelfälle.
Die Wintersaison ist da noch mit großen Fragezeichen versehen. „Zu unserer Skiservice-Woche kamen im Vergleich zu 2019 nur die Hälfte der Kunden“, berichtet Krumholz. „Das muss noch kein Indikator sein, kann aber. Ich denke, in den kommenden Wochen wird kurzfristig viel davon abhängen, wie sich die Gaspreise nun tatsächlich entwickeln werden.“
Doch die Nervosität ist spürbar in den Wochen vor Black Friday. Die Planungen werden durch die immer weiter steigenden Preise erschwert. „Inwiefern die höheren Preise im Einzelhandel tatsächlich durchsetzbar sein werden oder nicht de facto zu einer Margenverschlechterung führen, wird spannend“, so Wahnel. „Zumal wir speziell in der Outdoor ja schon für diesen Herbst ordentliche Preissteigerung hatten“, gibt Christoph Ganß vom Outdoor-Filialisten Unterwegs zu bedenken. „Das sollte man nicht überspitzen. 200 Euro für eine normale Wanderhose ist viel Geld.“
Nach der zuversichtlichen Vororder für Winter 2022 und noch mehr Optimismus für Sommer 2023 wird sie diesmal fast durchweg heruntergefahren. Vor allem beim Vorordern klassischer Winterbekleidung werden viele sehr genau kalkulieren. Dazu kommen erschwerend die in diesem Jahr noch früheren Ordertermine. Für manch einen Händler ist da selbst die Ispo – Ende November früh wie nie – schon zu spät. „Da haben wir viele Lieferanten schon gesehen“, konstatiert Ganß. Zu einem Zeitpunkt, wo der Winter noch gar nicht begonnen hat.
TextilWirtschaft, Mara Javorovic: Die Outdoorbranche vor der Order für Winter 2023 - Ziemlich beste Freunde (Donnerstag 24. November 2022)
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