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Auf einem Roundtable von hachmeister+partner präsentieren Dienstleister Services, mit denen sie Händler und Hersteller auf dem Weg zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeit unterstützen wollen. Die Unternehmensberater selbst beleuchten die Möglichkeiten von KI zur Optimierung der Wertschöpfungskette. Ökonomisch und ökologisch.
Veröffentlicht am 24.10.2024
Auf einem Roundtable von hachmeister+partner präsentieren Dienstleister Services, mit denen sie Händler und Hersteller auf dem Weg zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeit unterstützen wollen. Die Unternehmensberater selbst beleuchten die Möglichkeiten von KI zur Optimierung der Wertschöpfungskette. Ökonomisch und ökologisch.
"Der Zielkonflikt ist klar. Der Kunde ist nicht bereit, mehr für Nachhaltigkeit zu zahlen. Deshalb muss an anderen Stellschrauben entlang der Lieferkette gedreht werden. So darf nicht jedes Jahr mehr unverkäufliche Ware in den Markt gepumpt werden." So umreißt Tobias Humpert, geschäftsführender Gesellschafter bei hachmeister+partner (h + p) das grundlegende Problem der Branche.
Warentourismus mit Umlagerung und Retouren
Seit Jahrzehnten arbeite jeder für sich, der Datenaustausch sei überschaubar, das Datenpotenzial werde nicht mal annähernd ausgeschöpft. Am Ende werde jedes dritte Teil reduziert verkauft, die Retourenquote vom Händler zum Hersteller liege bei 10%.
Inzwischen liege die Durchschnitts-LUG bei all dem "Warentourismus mit Umlagerung und Retouren", wie Humpert es nennt, gerade mal bei 2,3. Zudem habe dieses veraltete Geschäftsmodell viel zu lange Vorlaufzeiten.
Insgesamt werden in der Wertschöpfungskette im Schnitt 20% zu viel Ware produziert. Allerdings sei das Vertrauenslevel zwischen Händlern und Herstellern gestört. Humpert zitiert aus einer Handelsbefragung seiner Unternehmensberatung. "Welche Risiken sehen Sie bei Abgabe der Verantwortung bezüglich Flächensteuerung durch den Lieferanten?", hätten seine Kollegen die h + p-Klienten gefragt. Die Antworten waren ernüchternd: 82% der Händler befürchteten, dass dann zu viel Ware auf der Fläche sei. Danach folgten die Sorge vor einer falschen Sortimentsstruktur (68%) und einer ungeeigneten Artikelauswahl (57%).
KI zur Verbesserung der Angebotseffizienz
Eine Lösung für das Problem sieht Humpert im Einsatz von KI. Das gehe los bei der Kollektionsplanung und Produktentwicklung. Hier könnte KI das Marktscreening übernehmen, Produktbilder mitsamt technischer Daten erzeugen und Artikelprognosen zu Abverkauf und Retouren liefern.
Beim B2B-Vertrieb und der Vororder könnten konkrete Order-Vorschläge samt Kanalzuweisungen generiert werden und ein Größenoptimierer zum Einsatz kommen. Am POS schließlich seien eine Optimierung der Soll-Bestände samt automatisierter Nachorder, Umlagerungsempfehlungen, ein Bestseller-Forecasting sowie eine Analyse der "Lost Opportunities" durch KI denkbar. Bis hin zur Retouren-Minimierung.
"Eine KI kann nicht nur bessere, sondern auch mehr Entscheidungen treffen als wir", fasst Humpert zusammen. Der KI-Assistent könne die Konsequenzen der Entscheidungen zudem fortwährend simulieren und ganz konkrete datenbasierte Vorschläge unterbreiten.
"Es geht darum, die Prozesse dort zu automatisieren, wo der Mensch nicht ausreichend Zeit hat, alle Faktoren zu beachten", sagt der h + p-Manager.
Zwölf Wochen Training
Für einen konkreten Anwendungsfall habe sein Team den Algorithmus zwölf Wochen lang trainiert und dabei den Abverkauf der vergangenen 13 Wochen als Basis für die Prognose genutzt.
Als Einflussfaktoren wurden dabei unter anderem die Marktpreise, die Saisonalität, der Abverkauf, das Wetter, Marketingmaßnahmen und Feiertage täglich neu gewichtet. Im Test entsprachen drei Viertel aller analysierten NOS-Artikel dem Vorschlag des KI-Tools. Bei 17% könnte der Soll-Bestand demnach gesenkt werden, ohne dass signifikante Umsatzeinbußen zu erwarten seien. Bei fast 9% sollte der Bestand dagegen höher sein, um Umsatzchancen nicht zu verpassen und die Logistikkosten im Rahmen zu halten.
Und schon mit einer entsprechenden Änderung von 8 bis 12% des NOS-Bestands könnte die LUG um bis zu ein Viertel erhöht und die Abschriften um fast 9% reduziert werden, rechnet der Unternehmensberater vor.
Forschungsprojekt Retourenmanagement
Die Forschung läuft auf Hochtouren. Gemeinsam mit dem August-Wilhelm-Scheer-Institut, dem Software-Entwickler Intex sowie dem Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, Funktionsschuh-Spezialisten Haix und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung arbeitet h + p an der Entwicklung eines KI-Empfehlungssystems zur Retourenvorhersage und einem optimierten Second-Life.
Zu den Use-Cases, die untersucht werden, gehören die Retourenquote je nach Kanal. Bei der Online-Bestellung eine mögliche Sperrung von Kunden oder Zahlungsarten basierend auf der Retouren-Wahrscheinlichkeit. Ein Vorschlag von Alternativen zur Rücksendnung nach Analyse des Grundes bis hin zur automatisierten Ermittlung der idealen Rücksende-Adresse - sei es das Lager, die Filiale oder das Outlet.
"Vieles ist inzwischen machbar", fasst Humpert zusammen. "Die technischen Möglichkeiten sind nicht mehr der Engpass. Es ist vielmehr die Beharrungstendenz der Modemacher. Jeder hält an seinem alten Modell fest." Den größten Hebel sieht er deshalb zunächst im NOS-Bereich. Weil hier am wenigsten verändert werden müsse.
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