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Marc Unterbrink von hachmeister + partner über sensible Rabatte, gesunde Lagerbestände und spürbar höhere Durchschnittspreise.
Veröffentlicht am 17.04.2023
Marc Unterbrink von hachmeister + partner über sensible Rabatte, gesunde Lagerbestände und spürbar höhere Durchschnittspreise.
TextilWirtschaf: Die ersten drei Monate 2023 waren mit den Nachrichten von P&C, Görtz, Galeria besonders turbulent. Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen Ihrer Meinung nach auf den Modemarkt?
Marc Unterbrink: Diese Entwicklungen sind in Summe schon eine Belastung für den Markt. Den Herstellern werden wichtige Touchpoints zum Kunden gekürzt. Den Händlern macht die damit verbundene sinkende Frequenz der Innenstädte und abnehmende Attraktivität zu schaffen. Auf die ländlichen Regionen wird sich dies wahrscheinlich noch stärker auswirken als auf Großstädte. Nichtsdestotrotz ergeben sich mittelfristig aber auch Chancen für einige Marktteilnehmer.
Wie haben sich die Umsätze im H.I.T.-Kreis im März entwickelt?
Im März entwickelten sich die stationären Bekleidungs-Umsätze zum Vorjahr weiterhin mit einem zweistelligen Plus (16,8%). Zum Vorkrisenniveau konnte das Defizit auf minus 5,1% verringert werden.
Wie haben sich die einzelnen Kennzahlen entwickelt?
Die Frequenz in den Häusern ist im März um 26,7% zum Vorjahr gestiegen. Durch im Jahr 2022 noch aktive Corona-Maßnahmen ist dieses Wachstum allerdings zu relativieren. Die Conversion-Rate lag bei 21% und war somit im Vergleich zu den Vormonaten merkbar rückläufig. Obwohl die Abschriften leicht gestiegen sind, konnte der Netto-Rohertrag um 17 % wachsen - also leicht über dem Niveau der Umsatzveränderung. Die Lagerbestände liegen 13,7% über dem Vorjahres-März und sind somit im Abgleich zur Umsatzveränderung auf einem guten Niveau.
Inwieweit haben sich Preiserhöhungen zum Saisonstart bemerkbar gemacht?
Die höheren Durchschnittspreise sind mit 11,4% im Februar/März deutlich spürbar und werden nun in bisher noch nicht dagewesener Form an die Endkunden weitergereicht. Dabei ist zu differenzieren, dass (neben leichten Sortimentsverschiebungen) für die Damen der Durchschnittspreis stärker gestiegen ist als bei der Herren-Mode. Besonders auffällig sind Damen-Röcke bzw. Damen-Mäntel mit einer Erhöhung des Durchschnittspreises von 16,8% bzw. 13,0% im Vergleich zum Vorjahr. Im Herren Segment sind die Durchschnittspreise für Freizeithemden und Strickjacken um 12,7% bzw. 10,6% gestiegen. Die Preisentwicklung der Schuhe verhielt sich ähnlich wie das Bekleidungssegment. Die geringste Preiserhöhung fand im Sport-Bereich (plus 5,5% zum Vorjahr) statt.
Welche Rolle spielten Preisaktionen?
Preisaktionen haben selbst zum Saisonbeginn eine Rolle gespielt. Im Vergleich zum Vorjahr liegen die Abschriften im Februar/März (bei jetzt höheren Beständen) um insgesamt 0,3%-Punkte höher, während im Vergleich zu 2019 weniger abgeschrieben wurde. Ich hoffe, dass die Händler nicht in alte „Abschriften-Muster“ verfallen, sondern weiterhin sensibel und selektiv bei Reduzierungen vorgehen.
Welche Sortimentsbereiche/Stilgruppen sind derzeit besonders gefragt?
Die Umsatztreiber im Herren-Sortiment war die anlassbezogene Bekleidung. Auffällig waren die Sakkos mit einem Wachstum von 51,5% bei rückgängigen Abschriften (- 4,5%-Punkte), gefolgt von den Cityhemden mit einem Plus von 45,9% zum Vorjahr. Auch bei den Damen performte die Anlass-/Business-Mode überdurchschnittlich. Beispielsweise stiegen die Umsätze der Blusen und Blazer um 31,2 % bzw. 81,2 %. Die Marken des Classic-Genres haben (auch durch Käufe in den o.g. Warengruppen) im März deutlich besser abgeschnitten als Trendy-Marken. Auch im Vergleich zu 2019 war das Umsatz-Minus der Marken im Classic-Segment nicht mehr so prägnant. Mainstream-Marken konnten sich in Summe im Vorjahresvergleich gegen Marken des Premium-Segments durchsetzen, mussten aber im Vergleich zu 2019 größere Umsatzeinbußen akzeptieren.
Was bedeutet der Märzabschluss für den Quartalsabschluss?
Der Monat März hat mit 16,8 % Umsatzwachstum abgeschlossen und somit den Quartalsabschluss leicht abgemildert (auf 20,6 %). Zu beachten ist hierbei, dass im Vergleichsjahr 2022 vor allem zu Beginn noch Corona-Einschränkungen die Umsätze beeinflusst haben. Verglichen mit dem Jahr 2019 beträgt das Umsatzdefizit im 1.Quartal minus 5,3 %.
Inwieweit hat Sie dieses Ergebnis überrascht?
Die zweistellig positive Entwicklung zum Vorjahr war aufgrund der im Jahr 2022 herrschenden Corona-Restriktionen zu erwarten. Auch die negative Entwicklung zum Vorkrisenniveau ist weniger überraschend.
Wie haben sich die einzelnen Kennzahlen im 1. Quartal entwickelt?
Die Kunden kauften aufgrund gestiegener Preise und stärkerer Preissensibilität weniger Teile pro Bon. Der Durchschnittsbon ist allerdings trotzdem um 4,2% zum Vorjahr gestiegen, was auf die Erhöhung der Durchschnittspreise zurückzuführen ist. Die LUG (12 Monate rollierend) hat sich auf 2,7 erhöht, was einen Anstieg von 8,6% bedeutet. Die LUG aus dem Jahr 2019 in Höhe von 2,8 konnte noch nicht wieder erreicht werden. Bisher lag die Frequenz im ersten Quartal 31,6% über dem Vorjahr. Jedoch wurden die ersten Kalenderwochen 2022 durch Corona beeinflusst, was die Veränderung im aktuellen Jahr unverhältnismäßig gestärkt hat. In Verbindung zur Frequenz ist die Conversion-Rate zu beachten. Diese ist im Vergleich zum Vorjahr um 3,4%-P. rückgängig und liegt für das erste Quartal bei 22,5%.
Wie hat sich das Online-Modegeschäft entwickelt?
Das Online-Geschäft weist ein Umsatzwachstum im Bekleidungssegment von 13,6 % zum Vorjahr auf und ist somit nicht so deutlich gewachsen wie im stationären Handel (20,6 %). Entgegensetzt der stationären Entwicklung konnte die Damen-Bekleidung online deutlich stärker wachsen als die Herren-Bekleidung. Die Durchschnittspreise sind online ebenfalls stark gestiegen (14,2 % zum VJ). Dabei wurde auch häufiger zum Rot-Stift gegriffen, sodass das Abschriften-Niveau höher lag. Dennoch konnte die erzielte Kalkulation leicht steigen.
Was erwarten Sie für das zweite Quartal? Was werden besondere Herausforderungen sein?
Die Personalsituation ist weiterhin angespannt. Qualifiziertes Personal zu finden und zu halten, bleibt eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass die Ansprüche an das Verkaufspersonal zukünftig steigen werden. Das wirtschaftliche Umfeld bleibt aufgrund der durch die Inflation gesunkenen Kaufkraft ebenfalls herausfordernd. Insbesondere das mittlere Preissegment ist hiervon betroffen. Filialschließungen werden lokal zu teils extremen Preisnachlässen führen. Diese Situation wird schwierig für Händler mit ähnlicher Sortiments- und Preisstruktur in direkter Umgebung.
TextilWirtschaft, Aziza Freutel: "Ich hoffe, dass Händler nicht in alte Abschriften-Muster verfallen" (Donnerstag, 13. April 2023)
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