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TextilWirtschaft: Halbjahres-Analyse von Hachmeister + Partner

Inflations- und Rezessionssorgen, der Krieg in der Ukraine und die gestörten Lieferketten. Die ersten sechs Monate des Jahres waren für den Modehandel extrem herausfordernd. Das spiegelt sich auch in der Halbjahresauswertung von Hachmeister + Partner wider.

Veröffentlicht am 12.07.2022

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"Im Juni wurde das Vorjahresergebnis erstmals verfehlt"

Inflations- und Rezessionssorgen, der Krieg in der Ukraine und die gestörten Lieferketten. Die ersten sechs Monate des Jahres waren für den Modehandel extrem herausfordernd. Das spiegelt sich auch in der Halbjahresauswertung von Hachmeister + Partner wider.

TextilWirtschaft: Als wir Ende vergangenen Jahres auf 2022 geblickt haben, haben Sie gesagt das Jahr werde "extrem anspruchsvoll". Jetzt liegen die ersten sechs Monate hinter uns, inwieweit sehen Sie Ihre Äußerung bestätigt?
Marc Unterbrink:
 Die Prognose hat sich grundsätzlich bewahrheitet. Glücklicherweise hat zwar kein befürchteter weiterer Lockdown im Handel stattgefunden, dafür ist der Ukraine-Krieg als unvorhergesehenes Ereignis hinzugekommen. Die in der Folge deutlich angezogene Inflation bewirkt, dass die Kunden weniger Geld für Mode zur Verfügung haben und verstärkt zudem die Verunsicherung der Konsumenten. Zusätzlich besteht weiterhin das Problem fehlender bzw. zu spät gelieferter Ware.

Wie hat Ihr Händlerkreis den Juni und die ersten sechs Monate abgeschlossen?
Nachdem der Mai aufgrund vieler Nachholkäufe sehr erfolgreich geendet hatte, waren die Umsätze im Juni zuletzt wieder rückläufig. Gegenüber dem Vorkrisenniveau im Jahr 2019 sanken die Umsätze des stationären Kanals im Juni um 8,9%. Auch das Vorjahresergebnis wurde erstmalig in diesem Jahr um 15,5% verfehlt; 2021 nutzten viele Kunden den Juni nach dem langen Lockdown zu Jahresbeginn zum Modekauf. Das erste Halbjahr endete im Ergebnis mit einem Umsatzrückgang von 12,6% zum Jahr 2019. Rechnet man die Onlineerlöse hinzu konnte der Verlust auf 9,4% begrenzt werden. Die HAKA (minus 9,2% zum VVVJ) lief dabei etwas besser als die DOB (minus 9,7% zum VVVJ).

Wie haben sich die wichtigsten Kennzahlen entwickelt?
Die Händler konnten die erzielte Kalkulation im ersten Halbjahr um 1,2 Prozentpunkte verbessern und damit die Rohertragsverluste, die sich aus dem starken Umsatzrückgang ergaben etwas abmildern. Die Frequenz lag mit minus 25,9% merklich unter dem Vorkrisenniveau, auch wenn sie in den letzten zwei Monate wieder etwas zulegen konnte. Da sich die Conversion Rate um 2,2 Prozentpunkte auf 26,9% verbesserte und die Kunden je Kauf (bei 1,6% mehr gekauften Teilen) 11,7% mehr Umsatz generierten, konnte der Frequenzeinbruch etwas aufgefangen werden.

Wie haben sich die Online-Umsätze in Ihrem Händler-Kreis entwickelt?
Viele Händler haben seit dem Pandemiebeginn ihre Onlineaktivitäten stark ausgebaut. Die Ausgangsituation war dabei sehr unterschiedlich. Während einige Händler schon über einige Jahre Erfahrung im Onlinebusiness verfügten, war dieses Umfeld für andere komplettes Neuland. Zu Pandemiebeginn ging es zunächst darum, die großen Bestände abzubauen und Liquidität zu wahren. Aktuell konzentrieren sich die Händler zunehmend darauf diesen Kanal profitabel zu gestalten – insbesondere durch Ausbau des eigenen Onlineshops. Zum Vorjahr sanken die Onlineumsätze jedoch insgesamt um 33,8% im ersten Halbjahr, wobei der Umsatzrückgang in der DOB (minus 33,5%) höher als in der HAKA (minus 27,5%) ausfiel.

Gerade bei den Abschriften gab es in den vergangenen Monaten eine positive Entwicklung. Hat sich das fortgesetzt? Inwieweit ist das auf verringerte Warenmengen zurückzuführen?
Bei den Abschriften agierten die Händler weiterhin vorsichtig, sodass diese sich im ersten Halbjahr um 2,8 Prozentpunkte gegenüber dem Vorkrisenniveau reduziert haben. Der gesunkene Warendruck infolge reduzierter Bestände ist ein entscheidender Grund für die gesunkenen Abschriften. Bei vielen Händlern hat allerdings auch ein Umdenken in Richtung eines sensibleren, stärker nachfrageorientierten Abschriftenmanagements eingesetzt. Das zeigt sich auch bei dem Anteil der reduziert verkauften Teile (Rotpreisanteil), der ebenfalls zurückgegangen ist.

Inwieweit macht sich die Inflation im Käuferverhalten bemerkbar?
Die Kunden spüren Preissteigerungen in allen Bereichen und haben dadurch weniger Geld für Konsum zur Verfügung. Wenn sich das private Budget für Mode schmälert, werden einige Kunden auf günstigere Alternativen zurückgreifen (müssen) oder insgesamt weniger Teile kaufen. Abhängig vom verfügbaren Einkommen fällt der Effekt unterschiedlich stark aus. Diese Situation wird uns wohl oder übel auch noch einige Zeit begleiten.

Inwieweit macht sie sich in der Kostenstruktur der Einzelhändler bemerkbar?
Die gestiegenen Warenkosten geben die Einzelhändler größtenteils 1:1 an die Endkunden weiter. Inwieweit das gelingt, hängt stark davon ab wie sicher die eingekaufte Ware den Kundenwunsch trifft. Neben den Warenkosten werden sich die höheren Preise auch insbesondere bei den Energie- und Lohnkosten bemerkbar machen. Die Händler in unserem Panel sind von ihrer Kostenstruktur her in Summe gut aufgestellt und haben in der Vergangenheit bereits viele Optimierungen umgesetzt. Für Händler mit einer weniger wettbewerbsfähigen Kostenstruktur ist die Situation deutlich bedrohlicher.

Was war für Sie die größte Überraschung im ersten Halbjahr?
Der Ukraine-Krieg mit all seinen Konsequenzen war sicherlich nicht nur für mich die größte (negative) Überraschung des ersten Halbjahres. Was mich jedoch optimistisch stimmt, ist das insgesamt gute Krisenmanagement der Händler.

Welche Stilgruppen haben in den vergangenen sechs Monaten besonders gut performt? Welche waren eher schwach?
Generell betrachtet hat sich der Trend der Vorjahre fortgesetzt und das Premium-Segment konnte besser als das Mainstream-Genre performen. Darüber hinaus war die Entwicklung von Trendy-/Modern-Marken besser als bei Marken im klassischen Segment. Die Stilgruppe Modern Man/Woman Premium, die beide Merkmale erfüllt, performte in der Folge mit einem Umsatzverlust von nur 3,5% zum Vorkrisenniveau deutlich am besten. Die Verlierer-Seite ist insgesamt breiter gestreut. Hier sind die Classic-Stilgruppen zu nennen, in denen das Thema Anlassmode eine wichtige Rolle spielt. Bei den Damen hat zudem Modern Classic Mainstream und bei den Herren Modern Mainstream stark an Umsatz verloren.

Welche Produkte haben die Kundinnen und Kunden gesucht?
Gefragt war insbesondere Casual-Mode wie Sweatshirts, Sportswear-Westen, T-Shirts oder leichte Sommerkleider. Im Vergleich zum Vorjahr konnte auch die Anlassmode wieder stark zulegen, auch wenn sich hier die Nachfrage immer noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau bewegt. Sehr konstant lief auch das Wäsche-Segment, das von Bedarfskäufen gestützt wurde, aber auch in der Bademode wurden sehr gute Umsätze erzielt.

Was werden die größten Herausforderungen in den kommenden sechs Monaten sein?
Hier kommen einige Punkte zusammen. Die Logistikkette ist immer noch stark beeinträchtigt. Eine große Herausforderung wird sein, ausreichend Ware zum richtigen Zeitpunkt auf die Fläche zu bringen. Außerdem müssen die Händler viel Zeit und Energie in Personalrecruiting investieren, um ihre Flächen mit gutem Verkaufspersonal zu besetzen. Beides wird jedoch unabdingbar sein, um die gestiegenen Verkaufspreise gegenüber dem Kunden zu argumentieren. Die Corona-Situation im Herbst/Winter kommt als weitere Unbekannte hinzu, welche die Planung noch einmal erschwert.

TextilWirtschaft, Azizia Feutel: Halbjahres Analyse von hachmeister + partner - "Im Juni wurde das Vorjahresergebnis erstmals verfehlt" (Dienstag 12. Juli)

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