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Die Performance der Frühjahrssaison und die Rückschlüsse für die laufende Orderrunde analysiert Frank Ganzasch, geschäftsführender Gesellschafter der Bielefelder Unternehmensberatung hachmeister + partner.
Veröffentlicht am 11.06.2025
Die Performance der Frühjahrssaison und die Rückschlüsse für die laufende Orderrunde analysiert Frank Ganzasch, geschäftsführender Gesellschafter der Bielefelder Unternehmensberatung hachmeister + partner.
TextilWirtschaft: Auf einer Skala von hellem Sonnenschein bis hin zu dunklen Regenwolken, wo würden Sie die bisherige Frühjahrs-/Sommersaison einordnen?
Frank Ganzasch: Die Regenwolken hielten sich insbesondere zu Saison-Beginn hartnäckig. Leider liegt das aufgelaufene Umsatzergebnis per Ende Mai im negativen Bereich. Die DOB schloss mit minus 0,7% zum Vorjahr noch am besten ab. Im Vergleich dazu gehört die HAKA mit minus 3% zum Vorjahr zu den klaren Verlierer-Bereichen. Die Wareneingänge (EK) fielen im Mai auf der Bekleidungsebene mit plus 9,6 % deutlich höher aus als im Vorjahr und sorgten damit unter anderem für gestiegene Monatsendbestände (plus 3,1 %).
Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
Die Lebenshaltungskosten sind gestiegen und die Budgets für Modekäufe wurden reduziert beziehungsweise stärker am tatsächlichen Bedarf angelehnt. Durch die weltpolitischen Entwicklungen bestehen zusätzlich weiterhin Unsicherheiten. Ein anderer Aspekt ist der, dass sich das Konsumverhalten der Generationen mittlerweile stark unterscheidet. Besonders die Generation Z ist stark gespalten: Zum einen gibt es die Fast Fashion Käufer:innen, die immer den neuesten Trends hinterherjagen. Zum anderen gibt es die Käufer:innen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen. Dabei wird verstärkt auf nachhaltige Labels und Vintage- bzw. Secondhand-Teile zurückgegriffen. Dieses Kaufverhalten beeinflusst den Multilabel-Handel stark.
Wie ist das H+P-Panel in den Juni gestartet?
Der Juni startete durchweg positiv. Es wurde in der ersten Juni-Woche ein Umsatzplus von 6,9% zur Vorjahreswoche erzielt. Noch weiter steigen konnte der Stück-Umsatz (plus 8,9% zum Vorjahr) bei gleichzeitiger Abschriftenreduktion (minus 0,3 Prozentpunkte zum Vorjahr). Auch die Frequenz hat in der KW 23 ein stärkeres Ergebnis als noch im Vorjahr erzielt (plus 5,2%).
Wie hat es den Mai abgeschlossen?
Im Mai gab es endlich ein kleines Aufatmen durch das positive Umsatzergebnis, welches auch von einem zusätzlichen Verkaufstag im Vergleich zum Vorjahr unterstützt wurde. Getragen wurde das gesamte Umsatzplus vor allem durch die positive Entwicklung in der DOB (plus 2,4% zum Vorjahr). Die HAKA hat hingegen nur ein Plus von 0,2% erzielt. Trotzdem war die Stück-Umsatz-Entwicklung in allen Bereichen rückläufig. Die Preisänderungen waren im Mai leicht rückläufig bzw. in der DOB pari zum Vorjahr. Der Netto-Rohertrag konnte gesteigert werden (DOB: plus 2,7% und HAKA: plus 0,4% zum Vorjahr).
Wie haben sich die weiteren Kennzahlen wie Conversion Rate, Rotpreisanteil, Frequenz in dem Zeitraum entwickelt?
Die Conversion Rate blieb im Mai im Vergleich zu den letzten Monaten auf einem konstanten Niveau. Im Vergleich zum Vorjahr gab es einen minimalen Rückgang von 0,1% Prozentpunkten. Die Frequenz hat sich im Monat Mai zum ersten Mal in diesem Jahr positiv entwickelt und zeigte ein kleines Plus von 0,1% zum Vorjahr. Der Anteil an Rotpreis-Artikeln war über alle Sortimentsbereiche hinweg leicht rückläufig, in der HAKA ist der Anteil hingegen leicht um 0,2%-Punkte gestiegen.
Welche Produktgruppen haben den Markt gestützt, welche waren eher schwach?
Im Mai waren im Damensegment besonders Jacken und Pullover gefragt, aber auch die Jeans schnitten, vor allem im Vergleich zum übrigen Hosensegment, stark ab. Die Röcke profitierten von signifikant gestiegenen Durchschnittspreisen. Besonders negativ entwickelten sich die Kleider gegenüber dem Vorjahr, und das bei gestiegenen Abschriften. Bei den Herren fiel die Nachfrage ähnlich aus, auch hier war die Umsatzentwicklung bei Strick, Jacken und Jeans überdurchschnittlich hoch. Neben dem Umsatz zeigten die Strickwaren auch einen auffällig starken Anstieg der Bestände, die Abschriften sind hingegen um 1,7 Prozentpunkte zurückgegangen. Einen Abwärtstrend zeigten nach wie vor die Anzüge.
Was hat Sie dabei überrascht?
Große Überraschungen gab es in den Sortimentsentwicklungen nicht. Die Trends kündigten es bereits an, was der Denim-Bereich besonders gut verdeutlicht.
Welche Learnings gibt es für die jetzt laufende Orderrunde, aber auch für den Herbst?
Der Fokus in der Order sollte auf den Kernsortimenten liegen und mit gut kuratierten Trendteilen ergänzt werden. Die Fläche muss trotzdem in einem abwechslungsreichen und ansprechenden Bild erscheinen. Nachorderoptionen bieten sowohl für die Flächengestaltung als auch zur Risikominimierung einen großen Vorteil.
Wie schätzen Sie die Liquiditätssituation ein? Erwarten Sie eine stärkere Rotpreisphase als sonst?
Der stationäre Multilabel-Handel steht unter großem Druck, da die Innenstädte immer mehr an Attraktivität verlieren. Die Angebote des vertikalen Handels verstärken die Situation. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Händler trotz der Situation deutlich selektierter abschreiben werden als in den vergangenen Jahren. In unserem Panel sind die Abschriften aufgelaufen ebenfalls gesunken. Auch die zahlreichen Club- bzw. Kundenangebote stellen eine Weiterentwicklung dar. Mittlerweile bietet fast jeder Händler eine Kundenkarte an und kann hierüber gezielt Rabatte steuern und profitabel agieren.
Was erwarten Sie für den Halbjahresabschluss?
Das aufgelaufene Umsatzminus wird im Juni nicht mehr aufzuholen sein. Dementsprechend setzen wir die Hoffnung auf eine starke zweite Jahreshälfte.
Welchen Herausforderungen muss sich der Modehandel im zweiten Halbjahr stellen?
Der Modehandel steht im zweiten Halbjahr vor mehreren zentralen Herausforderungen.
Erstens beobachten wir eine deutlich veränderte Konsumstimmung: Kund:innen agieren zunehmend kurzfristig und bedarfsorientiert. Das erfordert von Händlern eine deutlich flexiblere und intelligentere Sortimentssteuerung mit agilen Prozessen, die schnell auf Nachfrageveränderungen reagieren können.
Zweitens bleibt die Liquidität ein kritischer Faktor. Mehr und mehr Unternehmen agieren mittlerweile finanziell am Limit, sodass wir davon ausgehen müssen, dass auch in der zweiten Jahreshälfte weitere Insolvenzen folgen, insbesondere wenn keine strukturellen Anpassungen vorgenommen werden.
Nicht zuletzt bietet die Digitalisierung weiter erhebliches Potenzial. Wer es schafft, digitale Kanäle nicht nur zur Reichweitenerhöhung, sondern auch zur Kundenbindung zu nutzen, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.
TextilWirtschaft, Aziza Freutel: "Die Händler werden selektiver abschreiben" (Mittwoch, 11. Juni 2025)
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