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BTE-Magazin: Des einen Leid, des anderen Freud’?

Kann der stationäre Modefachhandel von den Kaufhausschließungen profitieren?

Veröffentlicht am 30.10.2023

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Dass die Innenstädte vor großen Herausforderungen stehen, ist nicht erst seit Corona ein Thema. Die Warnungen, dass sich etwas ändern muss, damit die City für die Endverbraucher attraktiv bleibt oder wieder wird, sind von Städteplanern und Politikern allerdings allzu oft überhört worden. Wie es eben bei unangenehmen Wahrheiten häufig der Fall ist. Neue Brisanz erhielt das Thema in der Öffentlichkeit, als die Schließungsliste von Galeria Karstadt Kaufhof publik wurde. „Das Ladensterben geht weiter“, „Kaufhäuser in der Krise – wie sich der Einzelhandel verändert hat“ – so oder ähnlich lauteten die entsprechenden Headlines. Klar ist: Langjährige Leerstände gilt es zu vermeiden, genauso jedoch den ’Ausverkauf‘ der City-Lagen. Die Lösungsbemühungen – wenn es denn welche gibt – sehen sehr unterschiedlich aus: Die Stadt Hamburg hat z.B. das Gelände des im Juni 2023 geschlossenen früheren Karstadt-Kaufhauses im Harburger Schippsee-Quartier gekauft, um einen Weiterverkauf zu verhindern und den Städtebau selbst in Händen zu behalten. In Lübeck wird das ehemalige Karstadt-Haus unter dem Namen ’Übergangshaus‘ mit einem Mixed-Use-Konzept Teil des Rahmenplans Innenstadt. Ähnlich hat man sich in Recklinghausen entschieden, wo nur noch die historische Fassade des bereits 2016 geschlossenen Kaufhauses stehen blieb, hinter der sich nach Fertigstellung Kita, Wohnungen, Gastronomie und Hotel finden sollen. Auf der Kölner Schildergasse hat hingegen der Textil-Discounter Kik in den ehemaligen Verkaufsräumen von Hallhuber Ende September einen Pop-up-Store eröffnet.

Doch so kritisch die Schließung der ’Galeria‘-Filialen für viele betroffene (Innen-)Städte auch sein mag, eröffnet sich durch diese Entwicklung nicht auch eine Chance für den Modefachhandel vor Ort? Schließlich fallen große Lederwaren- und Accessoires-Abteilungen sowie ein umfangreiches Bodywear-Angebot weg, während zugleich die Nachfrage der Kunden weiter besteht. Boris Hedde, Geschäftsführer vom IFH Köln, gibt zu bedenken: „Die Bedeutung generell sollte mit Blick darauf, dass Kauf- und Warenhäuser gerade mal etwas mehr als ein Prozent Marktanteil am gesamten Einzelhandel ausmachen, nicht überschätzt werden.“ Ole Schartl, Partner bei Hachmeister + Partner (h + p), Bielefeld, führt aus: „Der Wegfall von Kaufhäusern an diversen Standorten bietet nach unserer Beobachtung lediglich kleine Umsatzpotenziale für umliegende Fachhändler. Wir konnten in unserem Mandantenkreis flächendeckend bisher keine signifikanten Tendenzen zu steigenden Umsätzen im Wäschebereich erkennen. Dies liegt mit Sicherheit auch daran, dass die meisten Kaufhäuser, die von den Schließungen betroffen sind, eine eher schwächere Wettbewerbsposition haben bzw. hatten. Das heißt: Viele Kunden und damit auch Umsätze sind bereits abgewandert – on- wie offline.“

In Landau und Worms gibt es seit drei Jahren bzw. einem Jahr kein Kaufhaus mehr. Dort befinden sich auch Filialen des Modehauses Jost. Geschäftsführer Steffen Jost beschreibt die Lage wie folgt: „Die Kaufhäuser hatten eine fast marktbeherrschende Stellung in Sachen Wäsche und auch bei Strumpfwaren. Jetzt wird der Markt dort neu gemischt. Es entsteht ein Vakuum, das mehr Luft für Kleinere bietet, allerdings muss schnell in diese Lücke gesprungen werden.“ Das Geschäft in Landau verfügt über eine 250 qm große Wäscheabteilung, die man gern vergrößert hätte, was aber aufgrund ladenbaulicher Gegebenheiten nicht möglich ist. Dennoch habe die Abteilung „etwas von der Schließung profitiert“. Leicht ausgebaut wurde das Basissortiment, und auch Anfangspreislagen, die man „in letzter Zeit nicht mehr so stark forciert hat“, finden „mit sehr viel Augenmaß“ wieder mehr Berücksichtigung.

Die Galeria-Filiale in der Regensburger Altstadt wird nach Umbau wieder eröffnet. Somit ist das ’ModeErlebnisHaus‘ Frey in Cham im Einzugsgebiet nicht von Schließungen betroffen. Doch auch ohne eine durch Schließung entstandene Lücke glaubt die Geschäftsführung an das Sortiment Dessous und Wäsche: „Wir haben im Februar 2023 unsere Wäscheabteilung aus dem Haupthaus in ein leerstehendes Gebäude in der Nähe ausgelagert und auf 700 qm vergrößert. Durch den Umzug und die Neugestaltung unserer ’Bel Etage‘ merken wir gerade bei hochwertigeren Marken und großen Cups eine stärkere Nachfrage“, erläutert Lothar Rödel, Leitung Modehäuser. Besonders begeistert seien die Kunden von der Beratungskompetenz. Kann der stationäre mittelständische Modehandel seines Erachtens von der Krise profitieren? „Ja, wir sehen es als Chance und glauben an gut gemachten Einzelhandel. Wichtig sind kuratierte Sortimente, Sichtbarkeit auf allen Kanälen und das Allerwichtigste: engagiertes Personal mit einer absoluten Kundenorientierung.“ Um dieses zu finden, hat man bei Frey schon einige Male von kleinen Einzelhändlern oder Boutiquen am Ort, die geschlossen haben, Personal übernehmen können. Auch Steffen Jost ist überzeugt: „Das Thema der Substitution von Personal durch Fläche hat sich erledigt. Heute geht die Uhr andersherum.“ Da es schwer ist, gute Verkaufsberater zu finden – besonders für den Wäschebereich, wo die Beratung „nah an der Person“ stattfindet – setzt man in den Modehäusern Jost auf interne Fortbildungen. Für ihn steht fest: „Für den Kunden wird es immer schwieriger, Expertise im Handel zu bekommen. Grund genug, zu den Wurzeln der Fachhandelskompetenz zurückzukehren.“

Bei aller Krise scheinen einige Bereiche im Textilsegment also durchaus Potenzial zu bieten, teils wegen, teils unabhängig von den Kaufhausschließungen. Eine Spezialistin für Wäsche & Co. ist Marjoke Breuning, die bis Ende Juni 2023 gemeinsam mit ihrer Schwester Anneke auf der Königstraße in Stuttgart das Traditionsunternehmen ’Maute-Benger‘ leitete. Nun ist die Institution in Sachen Bodywear geschlossen, und die Schwestern haben ’Maute-Benger Consulting‘ gegründet. Schwerpunkt: strategische Beratung des Wäschefachhandels. Wie schätzt Marjoke Breuning die Lage ein? „Wir stellen fest, dass immer mehr gut eingeführte Platzhirsche oder DOB-Spezialisten Flächen frei räumen und Wäscheabteilungen eröffnen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Wäsche mit ihren nachlieferfähigen Basics hat nur im geringen Umfang abschreibungsintensive Mode, sodass am Ende eine gute Rendite erzielbar ist. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen: Eine Wäscheabteilung ist ein Dauerlauf, kein Sprint. Doch es kann sich lohnen: Laut der neuesten Prognose von ’Statista‘ soll der Wäscheumsatz 2023 um 23 Prozent zum Vorjahr steigen.“

BTE marketing berater, Ulrike Ascheberg-Klever: "Des einen Leid, des anderen Freud’?" (Oktober 2023)

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